CHRISTOPHE CHARLES / Unter den Linden
I8U / Und Transit
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»Unter Den Linden/Und Transit« beginnt mit einer dreißigminütigen Komposition von Christophe Charles, basierend auf einem Konzert welches er im Studio von Mark Fell (SND) gab. Der Anfang ist mikrotonal einfach gehalten, kurzgeschorene Klangpartikel wirbeln aus dem Mix, ehe Bordun und Paukenschlagähnliche Sounds einsetzen und dem Mikrokosmos mehr Breite und Tiefe geben. Im späteren Verlauf kommen manipulierte Flugzeuggeräusche hinzu, aufgenommen aus der Ferne, die den dünnen Klangstrom überlagern. Das Stück tritt nie auf der Stelle, die teilweise noisigen Sequenzen (clever integriert durch den Einsatz von stetig veränderten Equalizerparametern) interagieren als Brücke für einen gänzlich anderen Fortgang des Stückes. Nach einer Viertelstunde verlässt Charles jedoch die Opulenz der ersten Minuten und verwischt granuliertes Flirren mit maschinenhaften Summen zu einem minimalen Soundtrack, der am Ende in ein älteres Stück von 1987 übergeht, basierend auf dem Klang einer Telefonklingel, einem Silo und einem Abfallwagen, der in seiner klanglichen Naivität durchaus in die Livekomponenten von David Jackman gepasst hätte.
Umseitig bieten i8u 5 Kompositionen, die die deutsche Wocheneinteilung abbilden und mit »Montag« eine frequenzangereicherte Droneexkursion bieten, die sich durch röhrende Schachmuster windet und gleichzeitig exorbitant hohe Sinuswellen verarbeitet, die den Hörgenuß zumindest via Kopfhörer etwas erschweren. Dabei finden sich in den Kompositionen durchaus mikrotonale Zusammenhänge verarbeitet, die sich via Lautsprecher schwer fassen lassen dürften. Während »Dienstag« reduziertes Dröhnen mit Sinusschnipseln bietet, fällt die Zurückgenommenheit am »Donnerstag« ganz: eine tödlich schöne Wolke aus
zerfaserten Klassikpartikeln (GAS lässt grüßen) schwebt über dem sinusoiden
Klanguntergrund, in dessen Verlauf sich weitere minimale Schwebebestandteile einbinden. Während der Tag vorm »Wochenende« sich eher an Mika Vainio’s Installationsklangdichte versucht, ist das tatsächliche »Wochenende« ein sich langsam steigender Mix aus Klavierklängen, Feldaufnahmen und Sinustönen, dessen Opulenz sich jedoch bisweilen bis an den Rand des erträglichen bewegt. Eine nicht ganz unanstrengende Arbeit.
(thorsten soltau, aeamg)